2. Mai 2023

Über Lieferketten, Chipmangel und Europas Abhängigkeit – der Semicon-Markt im Jahr 2022. Ein Interview mit Philipp Schlüter, Sektorexperte Semicon.

Die Halbleiterbranche hat in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Es ging um Lieferketten während der Pandemie, Chip-Mangel in der ganzen Welt und die Abhängigkeit Europas. Pava Partners hat in seinem aktuellen SEMICON REPORT die wichtigsten Analysen des Marktes zusammengetragen. Philipp Schlüter, Partner bei Pava Partners, fasst die zentralen Erkenntnisse zusammen.

Herr Schlüter, es macht den Eindruck, als wäre der Halbleitermarkt ein sehr spezieller Sektor. Was macht den Markt besonders?

Philipp Schlüter: Der Halbleitermarkt ist ein hervorragendes Beispiel einer global vernetzten Industrie. Uns war es ein besonderes Anliegen, in unserem aktuellen Semicon Report eine Landscape dieses Marktes mit den wichtigsten Playern bereitzustellen. Der Markt besteht aus einer Vielzahl von Unternehmen, beginnend mit den Materialherstellern über die chemische Verarbeitung, die Produktion in den Fabs oder auch das Software- und Chipdesign.

Im Report prognostizieren Sie ein Marktwachstum von jährlich 7 Prozent bis 2030. Was sind die wichtigsten Faktoren für das Wachstum der Halbleiterbranche?

Schlüter: Die globale Nachfrage nach Halbleitern ist ungebrochen und wird sich noch steigern. Branchen wie die Computerindustrie, die drahtlose Kommunikation oder der Automobilsektor haben einen enormen Hunger nach immer mehr und immer ausgefeilteren Chips. Der Kommunikationsstandard 5G etwa benötigt spezielle Chips, ebenso wie jedes IoT-Gerät. Wir rechnen damit, dass der Markt bis 2030 ein Volumen von 1 Billionen Dollar erreicht.

Im Jahr 2022 beliefen sich die weltweiten Investitionen in die Halbleiterproduktion auf 190 Mrd. Euro und es sind mehr als ca. 270 Mrd. Euro in der Pipeline. Diese Investitionen sind notwendig, um die Produktionskapazitäten zu erhöhen, neue Technologien zu entwickeln und die Effizienz der bestehenden Produktionsstätten zu optimieren.

Heißt das, es kommen rosige Zeiten auf Halbleiterunternehmen zu?

Schlüter: Der Halbleitersektor hat sich besser entwickelt als andere Indizes, insbesondere während der Wiederbelebung der Weltwirtschaft im Jahr 2021. Dies ist auf die steigende Nachfrage nach Halbleitern in verschiedenen Branchen und die kontinuierliche Entwicklung neuer Technologien zurückzuführen. Allerdings mussten die Halbleiterunternehmen im Jahr 2022 aufgrund von Handelskonflikten, dem makroökonomischem Abschwung und Problemen in der Lieferkette Korrekturen hinnehmen. Trotz dieser Herausforderungen erwarten wir, dass der Halbleitermarkt sein Wachstum auch in Zukunft fortsetzen wird. Ein interessanter Trend ist auch, dass die Zahl der VC-Transaktionen in Europa 2022 im Vergleich zu 2021 zwar abgenommen hat, gleichzeitig aber das Volumen der Deals zunimmt. Das zeigt, dass VCs nicht kleckern, sondern klotzen, um den Markt in Europa voranzutreiben.

Philipp Schlüter, Partner, Sektorexperte Semicon, TMT, Industrials & Robotics